Lisa Werner-Art
 
Im alten Garten die Welt finden (DNN 25.08.05) zur Ausstellung in der Sächsischen Landesärztekammer Dresden 2005
 
Im Angesicht der Bilder dieses „Alten Gartens“ denkt man unweigerlich an andere: Dürers „Rasenstück“, „Liebermanns Garten“.., aber auch die Gartenbilder der späteren Jahre des Radebeulers Paul Wilhelm oder, um ein aktuelles Beispiel zu nennen, Gerda Lepkes Naturstudien. Besonders Gerda Lepke, der oft ein Ast i ihrem Garten Anregung für ein bildnerisches Ganzes aus Blatt- und Sonnengeflirr ist, scheint Anita Voigt-Hertrampf geistig nahe zzu stehen. Im begrenzten und vertrauten Raum ein ganzes Universum zu entdecken, in der scheinbaren Beschränkung zu den Dingen und zu sich zu kommen – in dieser Haltung sind die Jüngere und die Ältere wohl verbunden.
 
AVH, die sich in ihrem bisherigen künstlerischen Schaffen dem Thema „Reise“ in vielen Facetten gewidmet hat, hat seit kurzem eine solche durch den alten Terrassengarten begonnen, der ihr Atelierhaus umgibt. …..Der „Alte Garten“ ist für AVH vor allem in den letzten zwei Jahren – das Datum der ausgestellten Bilder zeigt es – zu einem tatsächlichen und geistigen Ort geworden, wo sie die Dinge, die sie interessieren, „umkreisen“ kann. Dazu gehörte die Lärche, die sie bei Regen und bei Sonne, im Frühling und im Herbst umschlichen hat „wie der Jäger das Wild“. Eine Folge zarter Malerei auf Japanpapier und Leinwand ist das Ergebnis.
 
Die Künstlerin sieht sich jetzt dort, wo sie denkt,bei sich zu sein. Die unmittelbare Auseinandersetzung mit der Natur verleiht ihr Kräfte und Inspirationen ganz neuer Art – bis hin zur Bildhauerei. Vom Gang der Arbeit zeugen in großer Zahl Naturstudien. Mal ist es ein Magnolienzweig, mal der Lieblingsplatz im Garten, mal eine Wurzel. Darüber nähert sie sich dem Eigentlichen – dem Atmosphärischen, „dem Raum dazwischen“. Ein wenig geht es da wohl auch um das Faustischen, dem nahe zu kommen, was die Welt im Innersten zusammenhält…Auf jeden Fall steht wohl hinter vielen ihrer neuen Arbeiten der Gedanke der unauflöslichen Verbindung zwischen Mensch und Natur. Darauf hat sie auch ganz unmittelbar reagiert, indem sie sich bildhauerisch mit dem Material Holz auseinander gesetzt hat. Ein Ergebnis war die Skulptur „Wiedergefunden“ (Paar). Sie war eine Kraftanstrengung und als solche Basis für ein neues Selbstbewusstsein. Diese Selbstfindung über das Naturerlebnis spiegelt sich ebenso in einem Bild wie „Baumpaar“ (2005). Es kann symbolisch für ein Menschenpaar stehen, aber auch – ähnlich jenen Bäumen, wo aus einem Samen zwei miteinander verbundene Teile wachsen – die unterschiedlichen Elemente eines Menschen meinen, seine männliche und weibliche Seite etwa. Und die Skulptur „Wiedergefunden“ muß nicht nur für das Wiederfinden des anderen stehen, sondern kann auch das Sich – selbst – Wiederfinden meinen. “Die Bildhauerin“ (2004/05) ihrerseits berührt ganz selbstbewusst den Anderen – auch eine Thematisierung einer neu gewonnenen Sicht auf das Selbst (das künstlerische Schaffen) wie auf das Andere (das Leben überhaupt).
 
Bisher führte Anita Voigt-Hertrampfs „Reise zu sich selbst“ eher in die mythologischen Urgründe eigenen Seins, überlagert von tatsächlichen Reiseeindrücken… sowie überlieferten Bildern und Zeichen der alten Kulturen. Mit den auf diese Basis entstandenen Bildern, Linoldrucken, Objekten und Keramiken ist sie in den vergangenen zehn Jahren bekannt geworden… Aber es ist legitim, neue Wege zu suchen! Und AVH sucht sie derzeit über die künstlerische Annäherung an die reale, so gegenständliche Welt des eigenen Gartens als Teil der großen alles umfassenden Natur. Das wiederholte „Umkreisen“ der Bäume und Wurzeln beim Zeichnen und Malen führt zu einer anderen Dimension: dem Weltganzen und dem eigenen Platz darin. Insofern scheint das hier Gezeigte gar nicht weit weg vom Früheren. Besonders in den großen Leinwandbildern ist die geistige Durchdringung des Naturthemas spürbar. .. Blaue töne, die meist in Korrespondenz zu bräunlichen bis gelblichen Nuancen treten, aber auch ztu Grün – jener Farbe, die schwer zu beherrschen ist – dominieren.
 
AVH studierte zwischen 1985 und 1993 an der Hochschule für Bildende Künste Dresden, war anschließend Meisterschülerin bei Claus Weidensdorfer. Sie ist ihren Weg mit Mut und Tatkraft gegangen. Vielleicht hat sie gerade manche persönliche Herausforderung befähigt, für neue Wege offen zu sein und nicht das Anerkannte fortzuschreiben. Mit der Ausstellung ist man Zeuge einer sehenswerten Neupositionierung, auf deren Perspektive man neugierig sein kann.